Leitsatz: Bei der Festsetzung einer Vergütung im Rahmen eines Gesamtvertrages kann eine Orientierung an früheren Verträgen der Parteien erfolgen. Die vorbehaltlose Zahlung der im Gesamtvertrag vereinbarten Vergütung über einen Zeitraum von fast 50 Jahren begründet die Vermutung, dass die Vergütung angemessen war.
Gericht: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.06.2014
Aktenzeichen: I ZR 215/12
Was war passiert?
Die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) klagte gegen die Bundesvereinigung der Musikveranstalter. Zu letzter gehören etwa 150 bis 200 Tanzschulen, welche bei Tanzkursen auf Tonträgern aufgenommene Musikdarbietungen ausübender Künstler öffentlich wiedergeben. Für diese Nutzung der Tanzmusik ist eine entsprechende Vergütung an die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) und die GVL zu zahlen. Die GEMA erhält die Vergütung für die bei ihr organisierten Komponisten, Textdichtern und Verleger, wohingegen die GVL die Vergütung für die Interpreten und Tonträgerhersteller erhält. Zwischen dem Verband und der GVL bestand ein Gesamtvertrag. Dieser sah seit dem Jahr 1961 vor, dass beispielsweise Tanzschulen oder andere Musikverwender für die Wiedergabe von Tonträgern sowohl an die GEMA, als auch an die an die GVL eine Zahlung entrichten. Der Betrag an die GVL berechnete sich aus 20 % der Vergütung, die an die GEMA gezahlt wurde.
Die GVL beantragte nun eine gerichtliche Festsetzung neuer Gesamtverträge, da sie den bisherigen Gesamtvertrag als unangemessen ansah. Mit dem Argument, dass die Leistungen der Leistungsschutzberechtigen und Urheber generell gleichwertig sind, forderte sie daher eine Erhöhung des Zuschlages auf 100% des GEMA-Tarifes.
Die zuständige Schiedsstelle, das OLG München, hatte zuvor entschieden, dass eine Erhöhung auf 30% der Tatsache Rechnung trägt, dass vor allem in jüngerer Vergangenheit die Bedeutung der Leistungsschutzrechte von ausübenden Künstler im Rahmen der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken gewachsen sei. Gleichzeitig stellte es aber klar, dass die spezifischen Verhältnisse in Tanzschulen jedoch keine Gleichstellung zwischen Urhebern und Leistungsschutzberechtigen dergestalt erlauben, dass eine Erhöhung des Vergütungsniveaus auf 100% des GEMA-Tarifs angezeigt ist.
Entscheidung: Der Bundesgerichtshof hatte nun zu entscheiden, ob Urheber- und Leistungsschutzberechtigte den gleichen Anspruch auf eine angemessene Beteiligung an der wirtschaftlichen Verwertung ihrer Werke und künstlerischen Leistungen haben.
Das Gericht entschied jedoch nur, dass eine Festsetzung der Vergütung auf 30% des GEMA-Tarifs nicht der Nachprüfung Stand hält und verwies deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück.
Es führte aus, dass eine Erhöhung nicht damit begründet werden kann, dass die mediale Präsenz ausübender Künstler in den letzten Jahren erheblich gewachsen sei. So stehe im Tanzunterricht gewöhnlich – und insbesondere bei klassischen Standardtänzen und lateinamerikanischen Tänzen – der Interpret des Musikstücks, das beim Einstudieren der Tänze von Tonträgern abgespielt wird, nicht im Vordergrund. Selbst eine gewachsene Bekanntheit der ausübenden Künstler würde sich demnach jedenfalls auf die gewöhnliche Nutzung von Musik in Tanzschulen nicht maßgeblich auswirken. Sie kann daher insoweit auch keine Erhöhung des Zuschlagtarifs rechtfertigen.
Bei der Bestimmung der angemessen Vergütung kann jedoch die seit 1961 praktizierte Vergütungsregel als Indiz herangezogen werden. Die Tatsache, dass die bisher vereinbarte Vergütung von 20% des GEMA-Tarifs über einen Zeitraum von fast 50 Jahren vorbehaltlos gezahlt wurde, begründet nach den Ausführungen des Gerichts die Vermutung, dass die Vergütung angemessen war.