Leitsatz:
Die Informationspflichten aus Artikel 13 Absatz 1 DSGVO stellen Marktverhaltensregelungen dar. Wettbewerbsverbände sind daher befugt, solche Verstöße gegen Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung geltend zu machen. Eine Abmahnung wegen fehlender Datenschutzerklärung ist demnach möglich.
Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 27.02.2020
Aktenzeichen: 2 U 257/19
Was war passiert?
Ein gewerblicher Ebay-Verkäufer bot auf der Plattform Reifen zum Sofortkauf an. Neben seiner Firma gab er seine Postanschrift, Telefonnummer, Faxnummer und E-Mail-Adresse an. Eine Erklärung zum Datenschutz hielt er jedoch nicht vor. Damit informierte er insbesondere nicht über Art, Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten. Daraufhin erhielt er von einem Wirtschaftsverband eine Abmahnung wegen fehlender Datenschutzerklärung.
Entscheidung:
Mit dem Inserat auf der Internethandelsplattform hat der Händler gegen Artikel 13 DSGVO verstoßen. Hierin sah das Gericht auch eine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne von § 3 a UWG, die vom Wirtschaftsverband abgemahnt werden kann.
Voraussetzung für eine Abmahnung wegen fehlender Datenschutzerklärung ist,
• dass die entsprechende Norm auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln
• dass dieser geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
Nach Auffassung des Gerichts habe Art. 13 DSGVO insoweit eine verbraucherschützende Funktion und weise den erforderlichen wettbewerblichen Bezug auf.
Das Gericht ging davon aus, dass durch die DSGVO die Rechtsbehelfe nicht abschließend geregelt werden. Daher bleiben die nationalen Bestimmungen der § 8 Absatz 1 und Absatz 3 Nr. 2 i.V.m. § 3a UWG anwendbar.
Mitgliedstaaten können nationale Normen auch dann anwenden, wenn diese die unmittelbare Anwendbarkeit der Verordnung nicht vereiteln, deren gemeinschaftliche Natur nicht verbergen und die Ausübung des durch die betreffende Verordnung verliehenen Ermessens innerhalb der Grenzen dieser Vorschriften konkretisieren.
Der Normgeber hat die Verantwortung für die Ausgestaltung der Rechtsdurchsetzung und des Prozessrechts an die Mitgliedsstaaten übertragen. Daher müsse vom Grundsatz her jede nationale Maßnahme, die geeignet ist, die Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, als zulässig angesehen werden.
Aus der DSGVO ergäbe sich zudem nicht, dass es den Mitgliedstaaten verwehrt sein soll, Wettbewerbsverbänden eine Klagebefugnis einzuräumen. Die Rechtsdurchsetzung auf dem zivilen Rechtsweg wird durch die Verordnung in keiner Weise eingeschränkt, noch stellt Artikel 80 DSGVO eine abschließende Regelung dar.
Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch Wettbewerbsverbände habe sich als schlagkräftiges Instrument bewährt. Da die Ressourcen der Behörden begrenzt sind, können Wettbewerbsverbände auch bei der Überwachung der Datenschutzregeln einen wesentlichen Beitrag leisten.
Hintergrund zur Abmahnung wegen fehlender Datenschutzerklärung
Ob DSGVO-Verstöße abgemahnt werden können bleibt weiterhin unklar. Die Frage, ob das Datenschutzrecht auch das Marktverhalten regelt, wird von den Gerichten unterschiedlich beantwortet.
Entscheidung am | Gericht | Sachverhalt | Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht |
27.02.2020 | Oberlandesgericht Stuttgart Aktenzeichen: 2 U 257/19 | gewerblicher Ebay-Verkäufer mit Inserat ohne Datenschutzhinweise | ja |
07.11..2019 | Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt Aktenzeichen: 9 U 6/19 | fehlende ausdrückliche Einwilligung | ja |
07.02.2019 | Oberlandesgericht München Aktenzeichen: 6 U 2404/18 | Telefonanrufen zu Werbezwecken (Cold Calls) | ja |
05.11.2018 | Landgericht Wiesbaden Aktenzeichen:. 5 O 214/18 | wegen unvollständigen Auskünfte nach Art. 15 DSGVO | nein |
25. 10. 2018 | Oberlandesgericht Hamburg Aktenzeichen: 3 U 66/17 | fehlende Einwilligung | Die jeweilige Norm der DSGVO muss im Einzelfall konkret darauf überprüft werden, ob sie eine Regelung des Marktverhaltens zum Gegenstand hat. |
13.09.2018 | Landgericht Würzburg Aktenzeichen: 11O1741/18 | fehlerhafte Datenschutzerklärung (keine Angabe zum Verantwortlichen, zur Datenverarbeitung, Belehrung über Betroffenenrechte) und keine Verschlüsselung für das Kontaktformular auf Website | ja |
07.08.2018 | Landgericht Bochum, Aktenzeichen: 12 O 85/18 | fehlende Datenschutzerklärung auf einer Website | Verstoß gegen die DSGVO ist nicht zugleich eine Wettbewerbsverletzung nach § 3 a UWG |
Eine höchstrichterliche Entscheidung steht noch aus. Um vor allem einer Abmahnung wegen fehlender Datenschutzerklärung vorzubeugen, sollten Unternehmen ihre Hinweise auf Vollständigkeit prüfen.
Rechtsanwalt Robert Harzewski